Es geht um's Kleingedruckte und um die Suche nach den schlechten Linsen in der Packung. Konkreter: Was haben Materialangaben auf eingenähten Etiketten in Kleidungsstücken mit den Regelwerken eines PIM-Systems zu tun?
Der Text auf eingenähten Etiketten in unseren Kleidungsstücken kann ganz schön lang sein. Nicht nur Angaben zur richtigen Pflege und zum korrekten Waschen sind dort zu finden, auch Angaben zur Firma, dem Herstellungsland und den Anteilen der verwendeten Stoffe sind dort aufgelistet. Dass dies so ist und wie Labels auszusehen haben, ist im Textilkennzeichnungsgesetz der EU geregelt. [1] Diese Verordnung formuliert Vorschriften über die "Bezeichnung von Textilfasern und die damit zusammenhängende Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensezung von Textilerzeugnissen" (S.1) vor.
Diese Verodnung verpflichtet alle EU-Länder zu ihrer Umsetzung und somit all jene zur korrekten Kennzeichnung, die mit textilen Produkten handeln oder diese herstellen. Damit soll sichergestellt werden, dass in der EU vertriebene Produkte einem hohen Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltstandards entsprechen. Bei Nicht-Einhaltung drohen Abmahnungen.
Die in einem T-Shirt verwendeten Stoffe müssen zu allererst von den Produzenten der Shirts mittels Etikett (dauerhaft, leicht lesbar, sichtbar und zugänglich (S. 7)) oder per Beipackzettel gekennzeichnet werden. Hierfür gibt die EU eine Liste der zu verwendeten Begriffe vor. Die Begriffe müssen 1:1 der Liste entsprechen und dürfen nicht abgekürzt werden. Dies ist eine der Voraussetzungen dafür, dass Produkte auf dem Markt verkauft und mit ihnen gehandelt werden kann. Onlinehändler sind ebenso verpflichet, potentielle Kunden und Kundinnen bereits vor dem Kauf im Onlineshop direkt und präsent über die verwendeten Stoffe zu informieren (S.8). Dies erfolgt in der Regel auf den jeweiligen Artikelseiten (PDP – Product Detail Page).
Zwischenfazit
- EU-Verordnung verpflichtet zur Kennzeichnung von Materialangaben
- Kennzeichung der verwendeten Stoffe im Produkt selbst und im Onlineshop vor dem Kauf
- EU gibt erlaubte Bezeichnungen von Textilfasern vor
Um den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden und der Gefahr einer Abmahnung entgegenzuwirken, bietet sich dem Handel im eCommerce die Pflege und Verwaltung der Kennzeichnungen über ein PIM-System an. Die implementierten Regeln in solchen Systemen ermöglichen die Festlegung von Kriterien für jedes Eingabefeld (z.B. Titellänge, Verwendung von Leerzeichen, Groß/Kleinscheibung usw.). So werden nicht-zulässige Eingaben als Fehler indentifiziert und stellen die Basis für eine hohe Datenqualität sicher.
Quellen der Produktinformationen
Um zu verstehen, wieso Fehler überhaupt entstehen können, lohnt sich ein Blick in ein mögliches Szenario rund um die Quellen der Produktdaten – im Speziellen Materialangaben - eines Modehändlers. Wo kommen diese Informationen eigentlich her und wie sind mögliche Zyklen bzw. Workflows?
Im ersten Schritt erhält das Unternhemen Produktinformationen von Herstellern und/oder Lieferanten, beispielsweise als Excel-, oder PDF-Dokument. Je nach IT-Landschaft und Workflows werden diese Produktinformationen automatisch oder händisch in das Warenwirtschaftssystem des Unternehmens eingepfelgt. Dieses Warenwirtschaftssystem (ERP = Enterprise-Resource-Planning) verfügt je nach Modernitätsgrad, zwar über Möglichkeiten Prozesse zu automatisieren, jedoch liegen diese auf der Ebene der Warenströme, nicht auf Ebene der Produktdaten. Der Fokus liegt hier mehr auf Einkaufpreisen, Margen, Lagerkapazitäten, Bestellprozessen oder der Finanzbuchhaltung. Fehler können auf der Ebene der Produktinformationen auftreten.
Ein ERP ist somit einer der Hauptlieferanten von Materialangaben. Ein weiterer Lieferant von relevanten Produktinforamtionen kann ein externer Dienstleiser wie ein Fotostudio sein. Dieses nimmt beispielweise die Daten des Etiketts im jeweiligen Artikel auf. Ein direkter Zugang der Dienstleister zum Product Information Management-System kann hier den Workflow der Eingabe straffen.
Materialangaben im OctoPIM
Zwei Regelwerke sind in unserem konkreten Fall der Materialangaben denkbar.
Zum einen ist es eine Regel, die nur solche Begriffe erlaubt, welche von der Liste der erlaubten Begriffe der EU-Verordnung stammen (genaue Liste, [1] - S. 14). Zum anderen ist es die Summe der Angaben der Anteile der verwendeten Textilien (Bsp. 100% Baumwolle oder 90% Baumwolle und 10% Elasthan).
Somit können die schlechten Linsen in der Packung gefunden werden, sobald gegen diese Regeln verstoßen wird. Das Team rund um die Produktpflege kann schnell eingreifen und korrigieren.
Liste der Bezeichnungen von Textilfasern im OctoPIM
Werfen wir einen konkreten Blick ins OctoPIM, um dem Kleingedruckten ein Zuhause zu geben. Basisfamilien definiereren hier den kleinsten gemeinsamen Nenner von Attributen für eine Gruppe von physischen Produkten. In einer Basisfamilie 'Bekleidung' können so neben Farbe, Größe oder Name auch das Attribut Material erstellt werden. Zur Konkretisierung der möglichen Attribute kommt es im Bereich Produkt. Hier ist also der Ort, an dem die Liste der möglichen Stoffe ausformuliert werden kann.
Der Workflow zum Anlegen der möglichen Bezeichnungen von Textilfasern könnte wie folgt aussehen:
- Basisfamilie: Attribut Materialangaben anlegen
- Familie: Attribut über Liste konkretisieren (Baumwolle, Leinen, Seide, Jute, ...)
- Produkt: Konkretes Material für physischen Artikel auswählen
Der Workflow zum Festlegen der Anteilsverteilung der Textilfasern kann nach aktuellem Stand des Systems gelöst werden, in dem alle möglichen Verteilungen in der Attributliste aufgeführt sind. So werden auch Materialmischungen wie z.B. 90% Baumwolle, 10% Elasthan eingeschlossen.
Fazit
Mithilfe eines Product Information Management-Systems lassen sich an zentraler Stelle Materialangaben als Produktattribute pflegen. Diese zentrale Pflege gewährleistet eine vollständige, konsistente qualitativ hochwertige Datenqualität.
Links
[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A02011R1007-20180215